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Der gelbe Spielzeugbagger

Von LexCrypto
Dezentralschweiz, August 2022

Tatort: Weihnachtszeit, irgendwo in einer Spielzeugabteilung.

Prolog:

Plastik! Überall wo ich hinsehe, sehe ich Kinderspielzeug, was vergänglicher nicht sein könnte.

Nicht, dass mein Kind nach zwei Tagen nicht mehr damit spielen würde, nein. Vergänglich im Sinne von billig! Billiger Plastik! Und das auch noch im Überfluss. Auf die Preisgestaltung möchte ich hier nicht einmal tiefer eingehen. Allerdings kann man sich bei diesem Überfluss einfach ausrechnen, wie die Preise nach Weihnachten in den Keller rutschen. Natürlich alles schön von irgendeinem Produkt-Manager und seinem Finanz-Heini im Voraus ausgerechnet. Die Durschnittsmarge wird schon passen, da bin ich mir sicher… Plastik!

***

Bei einer Wohnungsauflösung hat mein kleiner Junge einen alten, gelben Spielzeug Bagger abgestaubt. Zuhause angekommen musste ich diesen zuerst selber bestaunen. Schon lange hatte ich kein so wertiges, schweres Spielzeug mehr in der Hand. Schnell wurde klar, dass dieses Spielzeug kleinkindliche Wutanfälle und sonstige Eskapaden locker über sich ergehen lassen wird. Anhand des Jahrgangs des Baggers, ist mein Sohn auch nicht das erste, sondern das geschätzt zehnte Kind, welches den Bagger auf seine Stabilität prüfen wird. Die neun Kinder vorher hat der Bagger locker überlebt.
Hergestellt irgendwo in den 1950er Jahren, macht der Bagger immer noch einen gewaltigen Eindruck. Die mechanisch bedienbaren Hydraulikpumpen, also deren Metallimitate, die Schaufel, die Raupen, das Kugellager welches die Fahrerkabine drehen lässt, alles scheint noch wunderbar zu funktionieren. Alle sind sich einig, ein TOP Spielzeug! Für sowas gibt man gerne sein Geld aus, hätte ich dafür was bezahlen müssen…


Mein Kind wird älter und das Interesse an Baustellenfahrzeugen wächst. Ganz unverbindlich schaue ich mich um, ob ich etwas Neues, ergänzendes zum Bagger finde. Gerne in ähnlicher Qualität, oder sogar noch besser! Die Entwicklung schreitet ja bekanntlich voran. Bei so einem wertigen Spielzeug rechne ich damit, dass ich etwas tiefer in die Tasche greifen muss, das stelle ich gar nicht in Frage. Das Problem ist nur, ich habe nichts dergleichen gefunden! Nichts!


Die bekannten Second-Hand Plattformen bieten selbstverständlich etwas Ähnliches aus selber Epoche an. Viel ist es allerdings nicht. Es scheint, als wäre das Objekt der Begierde schnell ausser Reichweite geraten. Es scheint es einfach nicht mehr zu geben!


Plastik Bagger soweit das Auge reicht, respektive, so viele Tabs mein Rechner öffnen lässt! Im Brocki, Fehlanzeige! Plastik, Plastik, Plastik.


Die dünnen Plastik Nieten, die alle beweglichen Teile zusammenhalten, fallen schon beim Anschauen auseinander. Für so etwas will ich mein Geld nicht ausgeben. Wer weiss, wie lange dieses Plastik Ding am Leben sein wird. Ein Tag, zwei Tage, evtl. ein Jahr… Weitergeben können wir den Bagger auf dem Monitor sicher nicht. Keine zehn Kinder, die damit nacheinander spielen, höchstens eines! Höchstens! Sichtlich angewidert von all dem Plastikscheiss, fragte ich mich:


«Wie konnte es so weit kommen??? Wieso gibt es kaum noch hochwertige Produkte? Was sind die Gründe dafür?»


Schnell habe ich bemerkt, dass es sich hier um mehr als nur ein Spielzeug handelt. Was ich hier vor mir habe ist ein Zeuge der Zeit!


Etwas, das einst mit hochwertigen Materialen hergestellt worden ist, um möglichst lange erhalten zu bleiben und über Generationen Kindern Freude zu bereiten. Wow, denkt heute jemand überhaupt noch so weit??? Generationen… Das ist ganz schön lange.


Nach ein paar Gedankengängen hier und ein paar Gedankengängen da, wurde plötzlich vieles klarer. Der Bagger scheint nicht das Einzige aus dieser Zeit zu sein, was für einen längeren Zeitraum geplant und hergestellt worden ist. Häuser, Autos, Fahrräder, ja eigentlich fast alles, sogar Musik aus dieser Zeit scheint für eine Ewigkeit gemacht zu sein. Bei gewissen Produkten, so erscheint es mir, zählt der Gedanke, je älter desto besser. Mal ganz oberflächlich betrachtet zumindest.


Was hat die Leute früher dazu gebracht, ein Produkt möglichst langlebig zu gestalten? Und warum haben wir diese Werte verloren?


Aus Sicht des Produzenten war es ein Muss, ein qualitativ besseres Produkt als die Mitbewerber herzustellen. Nur so konnte sich der Hersteller von der Masse abheben. Die Qualität stand im Vordergrund. Dies hat sich bis heute kaum verändert. Nur der Begriff «Langlebigkeit» wird heute anderes interpretiert als früher.


Hätten die Leute früher ihr Geld auch für billiges Spielzeug ausgegeben?


Ich denke ja, da es zu dieser Zeit auch schon «günstigere» und «teurere» Artikel gab. Ja nach dem, was vom Markt verlangt worden war.


Drehen wir die Zeit mal ein wenig zurück.


Früher war der Franken schon eine der stabilsten Währungen seiner Zeit. Die italienische Lira hatte zwar bereits etwas an Kaufkraft verloren, war aber immer noch voll im Saft.


Auf der Bank gab es Zinsen für sein mühsam erspartes Geld.


«Zuviel» Geld hatten nur die wenigsten.


Für was gebe ich nun mein hart erarbeitetes Geld aus?


Wenn ich es ausgebe, ist es weg, oder es mutiert zu dem investierten Produkt.


Hätte ich es behalten, wäre es Morgen mehr Wert, da dank der höheren Zinsen auf dem Sparkonto das Sparen belohnt wurde. Wer spart, wertet seinen Stock auf.


Unter den beschriebenen Aspekten ist der Fall für den Bagger wohl klar. Wenn ich mein Geld ausgebe, dann sicher für etwas, was eine möglichst lange Haltbarkeit aufweist.


Ich möchte ja, dass sich das Produkt ähnlich zu meinem Geld verhält. Da es sich um kein Spekulationsobjekt handelt, muss es nicht an Wert gewinnen, aber die Langlebigkeit sollte entsprechend hoch sein. Eine kurze Zeitpräferenz haben, hört man oft.


Warum gibt es heute kein so hochwertiges Spielzeug mehr? Was hat sich verändert?


Vergleichen wir die vorhergehende Situation mit heute. Was hat sich bei den Themen Geld und Sparen geändert?


Lohnt sich das sparen heute noch? Werden wir durch einen guten Zinssatz auf dem Sparkonto belohnt?


Die Antwort ist klar NEIN!


Durch Inflation, niedrige Zinsen, oder sogar negative Zinsen, werden wir dazu animiert, unser immer noch hart verdientes Geld leichtsinnig auszugeben. Wieso?


Die Antwort ist relativ einfach, wird in x Büchern schier unendlich erforscht und beschrieben.


Das Geld, was wir heute auf dem Sparkonto haben, ist Morgen weniger wert. Punkt!


Was ist mit unserem Zeitzeugen passiert?


In der vorher beschriebenen Epoche, war der Franken noch härter als heute. Er wird im Vergleich zu anderen Landeswährungen auch immer härter bleiben. Nur hat die Globalisierung einen anderen Plan.


Der Bagger Hersteller produzierte Jahrelang ein super Produkt mit einer niedrigen Zeitpräferenz.


Dank diesem erfolgreichen Produkt steigerten sich die Einnahmen und der Hersteller konnte wachsen und gedeihen. Um zu wachsen muss man innovativ bleiben und ständig neue, bessere Produkte auf den Markt bringen. Bei dieser hochwertigen Qualität stösst man früh an seine Grenzen. Durch die zunehmende Globalisierung wurde es immer einfacher, seinen Gewinn zu optimieren, in dem man günstigere Materialen einkaufte.


So konnte man relativ einfach einen beim Dorfschmied geschmiedeten Baggerarm durch einen billigeren aus von irgendwoher ersetzen. Dieser war einst nicht mal zwingend schlechter in der Qualität als der vom Metallbauer im Dorf. Nein, er wurde ganz einfach in einem Land hergestellt, welches ein tieferes Lohnniveau als die Schweiz hat. Der erste Schritt zur Billiggesellschaft ist getan.


Ihr wisst, wie es weiter geht.


Gewinn musste her! Man hat die Fabrik vergrössert, welche aus Krediten, die einem die Banken auf Anfrage und nach eingehender Prüfung gewähren, und stetig ausgebaut. Um diese Kredite zurück zu zahlen, musste man zwingend gewinnbringend arbeiten.


Die Zinsen wurden weniger, das Geld war «günstiger» zu haben. Die Gier steigt und eine neue, gewinnorientierte Generation löst die alte Generation samt ihren Werten ab. In dieser Spirale bewegen wir uns immer noch.


Zurück zum Bagger.


Der Markt für unser Spielzeugbagger ist langsam aber sicher gesättigt. Die Produktionskosten müssen weiter nach unten. Aus Fernost bekam der Hersteller die Einzelteile noch günstiger als beim ersten, ausländischen Händler. Allerdings war die Qualität nicht mehr dieselbe! Da man sein Gewinn optimieren musste, konnte man die Kosten für die hochwertigen Teile nicht mehr stemmen.


Das hochwertige Metall wurde durch Plastik ersetzt!

>>> fast forward>>>

Das Internet kam auf und sprengte alle Grenzen. Auf einen Schlag konnte derselbe Plastik Bagger noch günstiger von irgendwoher bezogen werden. «Wieso soll ich hier mehr bezahlen für das gleiche Produkt wie im Ausland»? Der Konsument ist ja nicht dumm!


Also, der noch günstiger hergestellte Bagger, mit noch billigeren Plastikteilen, wurde per Luftpost zu mir geliefert.


Und was sind die Konsequenzen? Billige Arbeitskräfte, menschenunwürdige Arbeitsbedienungen, Umweltzerstörung und, und, und!


Und wieso? Einfach weil wir der Meinung sind, dass wir unendlich wachsen müssen! Und das um jeden Preis! Kaufen wir also mehr billige Kredite um mehr Zeugs herzustellen, um mehr Ressourcen sinnlos zu verbrauchen, um mehr Bullshit zu produzieren, welcher niemand braucht.


Ich will einen weiteren Bagger für meinen Sohn kaufen! Ich will die Wahl haben, zwischen einem billigen Plastik Bagger und einem hochwertigen aus Metall!


Lieber Markt, lass mir die Wahl! Bin ich wirklich der Einzige, der bereits ist, für ein hochwertiges, langlebiges Produkt, mehr Geld in die Hand zu nehmen, nur um ein wenig mehr an die Zukunft zu denken?


Hey Leute!


Angenommen, es gibt einmal wieder Zinsen auf dem Sparkonto,


angenommen, es gäbe ein neues Ding auf der Welt, das Sparen wieder attraktiv macht.


Für was würdet ihr euer Geld ausgeben, wenn es auf dem Konto täglich dank Zinsen mehr wird?


Würdet ihr dann wirklich den günstigsten Plastikbagger kaufen, welcher Morgen defekt ist?


Denkt mal darüber nach…

2 Kommentare zu «Der gelbe Spielzeugbagger»

  1. Sehr guter Artikel! Ich finde es extrem wichtig, dass sich die Leute mehr Gedanken darüber machen. Viele Leute beschweren sich über die schlechte Qualität der Produkte. Hinterfragen, woher dieses Problem aber wirklich kommt, tun leider nur die Wenigsten.

  2. Sehr guter Artikel. Das ist ein Thema über das im Mainstream mehr geredet werden sollte. Mehr nachhaltige Prodkte zu produzieren würde der Umwelt wohl mehr bringen als Tomatensauce über ein Gemälde zu kippen.

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